Ein rabenschwarzer Tag von C. Essers

 

Wir teilen unser Zuhause mit zwei wundervollen Katern. Sie kamen zwar nicht gemeinsam zu uns, aber sie verstehen sich prima, wie Geschwister. Zuerst prügeln sie sich, dann spielen sie fangen, dann liegen sie in ihrer Kuschelecke und putzen sich gegenseitig. Seither nennen wir sie Max und Moritz. Der erste ist aus dem Tierheim, letzterer vom Katzenschutzverein und optisch sind beide eher unscheinbar. Aber wir erleben jede Menge mit ihnen. Die nachfolgende Geschichte handelt von einem sehr schlimmen Erlebnis mit – na ja – mehr oder weniger Happy End. Es war ein rabenschwarzer Tag für uns alle....

Zurückgekehrt von einer Impfung zerre ich den Transportkorb mit Moritz aus dem Auto. Er ist äußerst ungehalten über die lange Wartezeit und den Transport im heissen Wagen. Ich ebenfalls. Ein Verschlusshaken verfängt sich beim Herausnehmen im Anschnallgurt, das Gitter scheppert auf die Strasse, Moritz fällt hinterher. Erstarrt sehe ich, wie er verschreckt im dichten Gestrüpp des angrenzenden Parks verschwindet.

Es folgt eine sechseinhalbstündige Suchaktion. Mein Liebster, den ich in Panik anrufe, lässt Termine sausen und kommt nach Hause. Ich hoffe, sein Chef ist ein Tierliebhaber... Die Nachbarn kriechen mit uns durchs Gebüsch, Stunde um Stunde. Mir ist übel, mein Herz rast, ich hab Ohrensausen, zerfleische mich mit Vorwürfen: Mein Baby! Reine Wohnungskatze! Völlig panisch und orientierungslos in der bösen, bösen Welt.... und alles meine Schuld!

So lernt man die Nachbarschaft kennen. Um Moritz’ Versteck räumlich einzugrenzen, fragen wir Menschen auf der Strasse und in den angrenzenden Gärten, ob sie in der letzten halben Stunde eine schwarz-weiße Katze gesehen haben. Wir erhalten lauter wertvolle Informationen: zum Beispiel, dass eine Dame unseren Moritz zwar nicht heute, dafür aber vor drei Tagen stundenlang in ihrem Garten beobachtet hat. Angeblich trug er ja dieses auffällige rote Halsband (Das ist Whiskey von schräg gegenüber. Sie ist eine Schildpatt und hat kein einziges weißes Fleckchen an ihrem Körper....).

Also beschreiben wir die Katze als kuhmäßig gefleckt. Ist womöglich leichter zu begreifen. Daraufhin hören wir mindestens viermal die blöde Frage „gibt sie auch Milch?". Ungefragt belästigen uns sämtliche Passanten mit ihren eigenen Tiergeschichten. Toll, dass die Katze der unbekannten Dame ja schon zweiundzwanzig ist und nur noch selten ihr Körbchen verlässt, oder dass die Katzen der stehen gebliebenen Radfahrerin ja immer so gerne übers Dach klettern. Hilft uns wirklich weiter...

Endlich finde ich Moritz in einem der undurchdringlichen Sträucher, nur dreißig Meter von unserer Haustür entfernt. Auf Händen und Knien krieche ich Runde für Runde um das Gestrüpp und versuche, ihn heraus zu locken. Eine Dame bleibt stehen und sieht mich erwartungsvoll an. Ich habe keine Lust mehr auf Konversation und ignoriere sie. Wie unverschämt! In schönstem Ruhrpottdeutsch brüllt sie:" Watt hammse denn verloren? En Vögelken?" Na sicher, ich liege mit dem Gesicht fast in der staubigen Erde und suche meinen entflogenen Vogel!

Wie gesagt, nach sechseinhalb Stunden ist die Aktion erfolgreich beendet, der Kater wieder in der Wohnung, halbwegs intakt. Ich dagegen habe tiefe Kratzspuren an sämtlichen Körperteilen, das Treppenhaus ist voller Blut. Meins! Tapfer wie ich bin, brauche ich natürlich keinen Arzt. Ein bisschen Heilsalbe und eine Kühlkompresse reichen doch... Binnen Stunden haben sich die tiefsten Wunden an Hand und Arm dann entzündet und alles ist zu einem unförmigen Klumpen angeschwollen. Es ist rot, heiss und es klopft.

Die Ärztin gibt eine Tetanusspritze, Antibiotikum, Antirheumatikum, antibakterielle Salbe, Alkoholtinktur und einen Verband von den Fingerspitzen bis zum Ellbogen! Drei Tage später ist die Hand immer noch dick und Moritz tut mir ob seines bestandenen Abenteuers nicht mehr gar so leid. Ob ich sauer bin? Ach was, war ja meine Schuld. Und das Wichtigste ist doch, dass mein Liebling wohlbehalten wieder da ist. Und überhaupt, schließlich lehrt uns die Werbung: ‚Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch.’ Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig....

Was man sich sonst noch so alles antut, wenn man sein Zuhause mit zwei jungen, quirligen und maßlos verwöhnten Katern teilt, erscheint allmonatlich als Kolumne im Katzenmagazin von Zooplus. Schauen Sie doch mal rein!